Brasiliens Probleme mit Volksbegehren – Könnte die Lösung in Ethereum liegen?
Während in Venezuela darüber nachgedacht wird, mit einer eigenen Kryptowährung nationale Inflations- und Devisenprobleme in den Griff zu bekommen, wird im benachbarten Brasilien vorgeschlagen, die Blockchain Ethereum politisch und nicht als Zahlungsmittel zu nutzen. Fachmagazine wie CCN und Cointelegraph berichteten zuletzt übereinstimmend über eine entsprechende Initiative, in der das Ethereum-System dazu eingesetzt werden soll, Volksbegehren effizient abzuwickeln.
Die brasilianische Verfassung sieht vor, dass Petitionen, die von mindestens einem Prozent der Wahlberechtigten Unterstützung erhalten, dem Parlament zur Beratung vorgelegt werden müssen. In dem Flächenstaat mit rund 200 Millionen Einwohnern, davon etwa 150 Millionen wahlberechtigt, sei es aber nahezu unmöglich, entsprechende Unterschriftenlisten für Volksbegehren seriös zu sammeln und zu prüfen, beschreiben die Initiatoren Ricardo Fernandes Paixão und Everton Fraga das Problem.
Paixão arbeitet bei der Weltbank und berät das brasilianische Parlament in rechtlichen Fragen, Fraga ist Universitätsprofessor. Ihre Idee ist es, es den Bürgen mithilfe einer Ethereum nutzenden App zu ermöglichen, Volksbegehren aufzusetzen und zu signieren.
Demokratie-App auf Ethereum-Basis in Brasilien geplant
Sogenanntes E-Voting wurde in der EU im Jahr 2005 erstmals von Estland getestet und seitdem mit wachsender Popularität angeboten. Der baltische Staat, der für sich auch als „E-Stonia“ Imagewerbung betreibt, setzt dabei aber auf eine selbst entwickelte technische Lösung. Kritiker bemängeln dort allerdings Sicherheitsprobleme. Brasilien nun will auf Ethereum als IT-Basis setzen. Diese Blockchain wird von einer Schweizer Stiftung entwickelt und hat sich für die Kryptowährung Ether (ETH) seit 2015 im Praxiseinsatz bewährt.
In Brasilien möchten man durch die Nutzung des bereits vorhandenen Systems kostspielige Eigenentwicklungen vermeiden und davon profitieren, dass die Blockchain es zulässt, virtuelle Unterschriften rechtssicher zu dokumentieren. Den Berichten zufolge wird eine Petitions-App bereits programmiert und das Parlament scheint gewillt, den Einsatz zu prüfen. Für den Erfolgsfall prophezeit Fraga „ein Fest der Demokratie“. Mit dem Projekt sei man auf dem Weg, die brasilianische Verfassung in Sachen Volksbegehren tatsächlich umzusetzen, während bislang das Recht auf Volksbegehren faktisch nur auf dem Papier existiere.
Schweden prüft Blockchain für den Gebrauch in der Verwaltung
Unterdessen ist in Europa Schweden laut einer Meldung des Fachportals Quartz derzeit am weitesten dabei, eine Blockchain im öffentlichen Gebrauch von staatlicher Seite aus zu erproben. Dort sollen Grundbücher künftig mittels einer Blockchain digital geführt werden, um bei Verwaltungsakten Kosten und Papier einzusparen und dennoch über eine rechtssichere Dokumentation zu verfügen.
In Brasilien wiederum wird bereits angedacht, die durch Ethereum ermöglichte Volksbeteiligung am demokratischen Prozess in einem zweiten Schritt von Petitionen auch auf Wahlen auszuweiten. Beobachter meinen, dass sich Brasilien mit der Umsetzung der Pläne weltweit als Pionier etablieren könne beim Gebrauch von Ethereum durch staatliche Stellen. Die Initiative sei ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Blockchains nicht nur für Kryptowährungen als Grundlage dienen, sondern auch in anderen Bereichen hilfreich sein können.
Wird Brasilien zum Vorreiter für nicht-fiskalische Nutzung von Ethereum?
Bei aller Begeisterung für die faszinierend klingende Idee, eine Blockchain für demokratische Prozesse zu nutzen – das brasilianische Projekt wird aktuell noch von einigen Fragezeichen begleitet. Ethereum stand wegen eines erfolgreichen Hacker-Angriffs, bei dem mehrere Millionen Ether unbrauchbar gemacht wurden, bereits in der Kritik. Solche Attacken drohen der Blockchain prinzipiell auch beim Einsatz als demokratisches Werkzeug.
Weiter ist bislang offen, ob das Parlament in Brasilia sich wirklich dazu durchringt, direkte Volksbeteiligung durch Ethereum zu fördern. Skeptiker weisen daraufhin, dass die von Korruptionsskandalen begleitete politische Elite des Landes gar kein wirkliches Interesse an mehr Demokratie habe. Zudem ist unklar, wie die Bürger auf eine Demokratie-App reagieren würden. Durch das Initiieren von Hunderten von Volksbegehren beispielsweise könnte das politische System ernsthaft in seiner Arbeit blockiert werden, lauten Befürchtungen.
So scheint es derzeit empfehlenswert, den Fortgang des Projekts aufmerksam zu beobachten. Die Realisierung darf aber noch nicht als ausgemacht gelten. Einen Schritt weiter beim unkonventionellen Gebrauch von Ethereum ist das UN-Kinderhilfswerk Unicef: Hier hat man die Blockhain dafür entdeckt, geldwerte Spenden in Form von Rechnerzeit für das Schüren von Kryptowährungen einzusammeln. Das „Game Chaingers“ getaufte Projekt ist bereits online.